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 +====== Die öffentlich-rechtlichen Medien ======
  
 +
 +Gestern war ich auf einem Vortrag von Peter Frey, dem ehemaligen Chefintendanten des ZDF. Er sprach von den Social Media (er wollte sie lieber Digital Media nennen) als einer
 +Bedrohung, der man versuchen sollte, durch Bewusstseinsbildung und staatliche Kontrolle
 +entgegen zu treten. Es sei dort nämlich ein rechtsfreier Raum entstanden, den, zumindest im
 +wirksamen Wesentlichen, fragwürdige und bösartige Interessen besetzt halten.
 +
 +Qualitätsjournalismus der alten Schule komme dort nicht vor, aber Qualitätsjournalismus sei
 +gerade gegen die skrupellos interessenorientierte Anarchie im Netz so unverzichtbar wie die
 +Rettungsboote auf der Titanic. Frey sprach nicht von der Titanic oder von Rettungsbooten, das ist
 +meine Metapher. Ebenso die folgende: durch die Medienrevolution der Digitalisierung umgibt uns
 +heute ein Strömen und Fluten von Informationen. Die Information hat keine Ausgabestellen mehr,
 +die man regulieren könnte. Wenn man eine Ausgabestelle behindern würde, (nehmen wir an, den
 +Konzern mit Facebook, Instagram und YouTube) würde man vielleicht eine kleine Ebbe erzeugen -
 +und damit sogleich eine kleine Flut von woanders her, die diese Senke füllen würde.
 +
 +Ich meine, es hat keinen Sinn, aus dieser Richtung über die Sache nachzudenken. Man sollte
 +nicht versuchen, die Titanic leer zu pumpen, wenn sie schon gesunken ist. Das wäre nur eine
 +hilflose Verschwendung von Willen und Mühe. So eine hilflose Redlichkeit habe ich in Peter Freys
 +Vortrag zu sehen gemeint. Als ob er es als seine Aufgabe sähe, die auf den Wellen tanzenden
 +Rettungsboote zu sammeln, zu mehren und zu einem Ponton zu verbinden, auf dem sich vielleicht
 +wieder eine Stadt errichten ließe, wieder die alte Stadt. Wie ein öffentlich-rechtliches Venedig in
 +einer geschützten Lagune des digitalen Ozeans.
 +
 +Doch was käme dann? Das Strömen und Fluten der Information wird nicht mehr vergehen! Es
 +würde sich um und unter der Stadt verschlingen, mäandernd, seltsame selbstähnliche Objekte
 +bildend, alternative Wirklichkeiten, für eine Weile scheinbar stabil. Und von der Ponton-Stadt aus
 +würde man vielleicht gegen diese Objekte Krieg führen, würde ihren Anspruch auf Wirklichkeit
 +bestreiten und sie selbst vernichten wollen. Aber dabei wäre jeder Sieg wie ein Griff zwischen
 +leere, endlos sich wiederholende Strudel.
 +
 +Ich bin ein Fan der öffentlich-rechtlichen Medien! Aber diese Aufgabe sehe ich nicht für sie,
 +sondern eine ganz andere. Die öffentlich-rechtlichen Medien sollen eintauchen in die Ströme des
 +digitalen Ozeans! Sie sollen mit dem Ethos des Gemeinwohls den Ozean durchstreifen — die sich
 +um sich selbst drehende Strudel (Echokammern der Information), sollen sie finden und auflösen.
 +Die selbstähnlichen Chaosblüten (alternative Wirklichkeiten), sollen sie durchströmen und wieder
 +in den großen Strom einbinden. So dass die Anarchie aufhört, gewalttätige Blüten zu treiben und
 +stattdessen mehr und mehr in die Kultiviertheit eines Gartens übergeht.
 +
 +Dazu wird es notwendig sein, sehr viel Information sehr schnell zu sichten und zu verarbeiten.
 +Menschen werden das nicht tun können, d.h. nur Menschen mit dem Werkzeug der künstlichen
 +Intelligenz. Wir brauchen die künstlichen Intelligenzen jetzt als unsere Wächter und Helfer im
 +digitalen Ozean. Mag sein, dass "die künstliche Intelligenz" selbst wieder zu einer Bedrohung
 +werden wird. Wer bewacht die Wächter? Mag sein, dass uns sehr bald ein ähnliches Problem auf
 +einer anderen Ebene wieder begegnen wird. Das werden wir bearbeiten müssen, wenn es auftritt,
 +wahrscheinlich schon heute. Ich hoffe sehr, dass auch diese Frage dann noch öffentlich rechtlich
 +diskutiert werden wird!
 +
 +Stefan Budian, Mainz, 30. April 2024