3. Februar 2016
Pfarrer Moritz Mittag hat mich gebeten, für den Gemeindebrief einen Text zu schreiben. Was macht das Projekt mit dem Künstler? Dazu soll ich etwas sagen und umgekehrt will er auch mit der Gemeinde nachdenken, was das Projekt mit ihr tut.
Für mich ist das so: Ich mache ein Bild, in dem ich nicht alleine bin. Es entsteht in einer Auseinandersetzung mit jemandem, wie bei einem Portrait - aber nicht mit einem einzelnen Menschen sondern mit einer Struktur, die aus vielen Menschen besteht: der Kirchengemeinde.
Ich selbst bin nicht Teil dieser Gemeinde, trotzdem bin ich eingeladen, an ihr teilzunehmen, sie zu sehen und mitzuerleben, was in ihr geschieht und was ihr wichtig ist.
Aber mein Bild gehört zu der Gemeinde, wenn es fertig sein wird und auch jetzt schon im Prozess. Wie ein Spiegel, in dem die Gemeinde sich selbst erkennen und gegenüber stellen kann. Herstellen kann ich diesen Spiegel nur, indem ich die Gemeinde selbst einlade. Denn der "Spiegel" ist nicht für die rationale Realität zuständig. Um daran zu arbeiten, zähle ich nicht das auf, was ist - sondern ich nehme was mir begegnet auf in den Resonanzraum meiner Seele.
Die Töne, die dann von dort erklingen, sind das Spiegelbild.
Für diese Wechselwirkung brauchen die Gemeinde und ich den Mut zu Entscheidungen. Das ist keine Sache, die sich so nebenbei tun lässt. Für mich bedeutet das, dem Gemeindebild einen großen Raum innerhalb meiner Kunst zu geben. Kunst in der Kirche hat ein lange Tradition in unserer Kultur, aber in letzter Zeit nicht mehr so sehr. Die Kunst ist ausgewandert in einen eigenen Bereich.
Für einen Künstler heute ist es schwierig, sich an etwas anders zu binden als an die eigene Freiheit. Kunst im kirchlichen Zusammenhang erweckt Misstrauen und den Verdacht, dass es nicht mehr um Kunst, sondern nur noch um ein Beweihräuchern kirchlicher Themen geht.
Das sage ich nur, um als nächstes zu sagen, dass es mir mit dem Projekt des Gemeindebildes nicht so geht. Wir schauen zusammen auf die Wirklichkeit unserer heutigen Zeit, die voller Veränderungen ist. Um sich ihnen zu stellen, müssen wir uns selbst verändern und reformieren. Die Kunst lebt in einem Raum der Freiheit. Dort einen Spiegel aufzustellen für eine Gemeinde von Menschen, die sich reformieren will... das ist eine Aufgabe, die mich als Künstler erfüllt.
(Die Zeichnungen im Text sind parallel zu einem früheren Projektteil entstanden "Warum will ich glauben", aus 2013)