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Rückkehr aus dem Virtuellen: INTERRIM

Bei ART IN A BOX, 18. + 25. Okt. 2020, 11-18 Uhr (Flyer)

Bei meiner letzten Ausstellung (in der ZWEITSTELLE in Mainz), habe ich die „Weltkarte“ vorgestellt. Das ist das Bild einer Gruppe von Inseln in einem Ozean und die oberste Ebene meiner Websites, von der aus die Abenteuer meiner künstlerischen Projekte virtuell wegbar sind.

In der realen Ausstellung, die ich als öffentliches Atelier („Inselwerkstatt“) inszeniert habe, konnte ich mit den Besucher*innen über meine Projekte und die neue Metaebene der „Weltkarte“ sprechen. Und ich bemerkte, wie vielfältig und widersprüchlich die Reaktionen in der Realität auf meine virtuelle Arbeit sind. Ich hatte dabei das Gefühl, die Realität hat dem Virtuellen doch noch dieses voraus: Es gibt in ihr eine ganz natürliche Vielfalt an Perspektiven, eine Diversität und einen Pluralismus, der dem Virtuellen heute noch fehlt.

Ohne das so klar erwartet oder vorgedacht zu haben, fühlte ich mich wie ein Besucher, der aus dem Virtuellen den Schritt ins Reale macht und dort… zu Gast ist. Das brachte mich auf den Gedanken, meine nächste reale Ausstellung als ein solches Gastspiel zu betrachten.

Ich möchte einen realen Ort als Platz aufbereiten, an denen sich das Virtuelle und das Reale begegnen und überlagern. Der virtuelle Ort soll wie eine zusätzliche Ebene dem realen Ort beigesellt werden und umgekehrt. Die Betrachter*innen können virtuell von überall her teilnehmen und in der realen Ausstellung kann man beide Aspekte der Wirklichkeit gleichzeitig besuchen.

In der letzten Ausstellung war für mich auch sehr deutlich, wie wenig meine künstlerische Arbeit den Kunst-Gewohnheiten des Publikums entsprach. Die meisten der Besucher*innen kamen in die reale Ausstellung in der Erwartung, sich dort umschauend ohne weiteres zu verstehen, worum es hier ginge. Sie hatten aber keine Vorstellung zusätzlicher virtueller Ebenen, suchten sie deshalb nicht auf und sahen dadurch eigentlich nur einen kleinen Teil der Ausstellung. Ich denke, meine Bilder und Zeichnungen erlauben diese reduzierte Art der Betrachtung. Aber zu leuchten begannen die Augen der Besucher*innen, wenn sie entdeckten, das (und wie weit) sich die virtuellen Welten hinter den Objekten an der realen Oberfläche öffnen. Diese Erweiterung möchte ich direkter und einfacher zugänglich machen. Das ist schon der Beweggrund für mein „Internet-Computerspiel„ der Weltkarte und nun auch für die Idee eines Gastspiels aus dem Virtuellen heraus in das Reale hinein.

EvSp09 (Visegrad-Insel), 2020, Öl/Lw, 100x120 cm

Bei dem nächstem Ausstellungsprojekt INTERRIM will ich das umsetzen. Dort möchte ich ein einziges Ölbild zeigen: die „Visegrad4-Insel“, die ich kürzlich in der öffentlichen Inselwerkstatt gemalt habe. Dazu sollen Postkarten dieses Bildes zum Mitnehmen ausliegen. Auf der Postkarte ist ein QR-Code und die Webadresse zur virtuellen Instanz von INTERRIM.

Der reale Ort ist eine winzigen Kammer, einer der kleinsten Lagerräume, die man in der Firma mieten kann, welche die Ausstellung veranstaltet. „Self-Depot“ ist der Name, den ich für diese Art von Lagerräumen kenne. Ein Außenlager für das eigene Selbst, würde so nicht eine wörtliche Übersetzung lauten? Diese Assoziation fand ich schon immer lustig, und in diesem Falle noch mehr, denn die Firma nennt sich „BLU SKY LAGER“. Ein Depot des eigenen Selbst im Blau-Himmel? Das klingt doch nach etwas! Und wie es scheint, hat die Firma außer mir noch einige interessante Künstler*innen eingeladen und einiges an Pressearbeit gemacht. Es wird Aufmerksamkeit geben für die Gruppenausstellung und vielleicht kann ich dort meine Vorstellung einer Verschränkung des Realen mit dem Virtuellen, vielleicht auch im Diskurs mit dem Publikum, weiter entwickeln.

INTERRIM soll ein Zwischenspiel an einem Zwischenraum werden. Ein Ort, an dem das Reale und das Virtuelle gleichzeitig vorhanden sind. Wenn man den QR-Code benutzt, kommt man zu dem virtuellen Ort, der dem realen zunächst einmal gleicht. Nur, dass man von hier aus das Ölbild weiter bereisen kann und in die verschiedenen Zielorte kommt, die das Ölbild (die Visegrad4-Insel meiner Weltkarte) zeigt. Auf den Titel INTERRIM kam ich so: An einem exterritorialen Ort, zum Beispiel einer Botschaft, gelten die Gesetze seines umgebenden Landes nicht. Er gehört nicht dazu. INTERRIM denke ich als ein Gegenteil davon. Ein Ort, der zu zwei Reichen, dem Virtuellen und dem Realen, gleichzeitig gehört und an dem derer beider Gesetze gelten.

Mainz, den 8. 10. 2020

galerien/interrim/interrim-logbuch.txt · Zuletzt geändert: 2020/10/23 17:42 von admin