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Stimme: Schüler Maksim
„Warum darf ich nicht ich sein?“
„Ich heiße Maksim. Oder eigentlich Maksim Volkov – aber in der Schule soll ich jetzt Maks sagen, weil *„Volkov klingt zu russisch“*. Als ob mein Name ein Verbrechen wäre.
Früher war alles einfacher. In der Grundschule haben wir beide Sprachen gesprochen – Estnisch mit der Lehrerin, Russisch in der Pause. Aber seit letztem Jahr muss alles auf Estnisch sein. Selbst im Sportunterricht. Als ob man nicht auf Russisch *„Pass den Ball!“* sagen könnte.
Die Lehrer sagen: *„Das ist für eure Zukunft!“* Aber ich verstehe nicht, welche Zukunft sie meinen. Meine Eltern sprechen Russisch. Meine Oma spricht Russisch. Meine Freunde sprechen Russisch. Und plötzlich ist das falsch?
In Geschichte lernen wir über die Sowjetunion – aber nur, wie *schlimm* sie war. Nicht, dass meine Oma dort aufgewachsen ist. Nicht, dass mein Opa in der Narvaer Kraftwerk gearbeitet hat, als Estland noch zur UdSSR gehörte. Als ob ihre Geschichte nicht zählt.
Manchmal frage ich mich: Was bin ich überhaupt? - Für die Esten bin ich „der Russe“ – weil ich einen Akzent habe. - Für die Russen bin ich „der Este“ – weil ich in Estland lebe. - Und für die Regierung? Bin ich einfach ein Problem, das gelöst werden muss.
Letzte Woche haben wir ein Gedicht von Lydia Koidula analysieren müssen. Die Lehrerin hat gefragt: *„Was fühlt ihr, wenn ihr das lest?“* Ich habe nichts gesagt. Weil ich nichts fühle, wenn ich Worte nicht verstehe. Aber wenn ich das sage, heißt es: *„Du musst dich mehr anstrengen!“*
Das Schlimmste? Ich könnte Estnisch lernen. Ich will es sogar! Aber warum muss ich meine andere Sprache vergessen? Warum darf ich nicht beides sein?
Meine Freundin Ksenia hat gesagt: *„Lass uns einfach Russisch reden, wenn keine Lehrer in der Nähe sind.“* Aber dann habe ich Angst, dass uns jemand hört. Dass sie denken: *„Die wollen sich nicht integrieren.“* Dabei will ich das! Ich will nur nicht wählen müssen.
Manchmal träum ich davon, nach Tallinn zu ziehen. Dort ist es vielleicht einfacher. Aber dann sehe ich diese Plakate an der Bushaltestelle: *„Sprich Estnisch – es ist deine Sprache!“* Nein, ist es nicht. Es könnte meine Sprache werden. Aber nur, wenn ich auch Russisch bleiben darf.
— Letzte Woche hat uns die Lehrerin gefragt: *„Was wollt ihr später werden?“* Ich habe gelogen und gesagt: *„Programmierer.“* Dabei will ich Musiker werden. Aber wenn ich sage, dass ich russische Lieder mag, schauen alle komisch.
Ich wünschte, sie würden verstehen: Ich will nicht gegen Estland sein. Ich will nur dazugehören – ohne mich selbst zu verlieren.“
— *(Stille. Irgendwo in der Ferne hört man den Narva-Wasserfall rauschen.)*
„Ich will nicht wählen müssen – zwischen meiner Sprache und meiner Zukunft.“