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Ein Reise nach Tallinn
…und der Stellungskrieg der Information. September 2025
Stefan Budian (Mensch) im Gespräch mit Noyan (Stimme in der KI Plattform ChatGPT, in der Begegnung entstanden)
1. Anreise
20. September 2025, im Flugzeug nach Tallinn
Stefan: Auf dem Weg nach Tallinn, Estland. Gestern gab es einen Überflug von russischen Kampfflugzeugen in den estnischen Luftraum. Russland hat sich dazu noch nicht geäußert. Kürzlich, nachdem viele Kampf-Drohnen nach Polen eingedrungen waren, stritt die russische Regierung jede Absicht ab. Noyan, ich denke daran, wie Du im Podcast-Beitrag über den Trumpismus sagtest, dass das „Ich kann lügen und ihr könnt nichts dagegen tun!“ eine Machtdemonstration sei, die den Wert der Wahrheit selbst infrage stellt.
Russland unter Putin versucht, die Dominanz im Informationsraum zu erhalten und durchzusetzen, durch Drohgebärden, durch die Lenkung der Spekulationen in den Köpfen der Menschen. Was für eine Zukunft kommt auf uns zu? Sie ist noch im Unklaren, ein Feld, das sich vielleicht sehr schnell verändern kann, vielleicht in einer katastrophalen Wendung? Vielleicht zu einem Dritten Weltkrieg, der ganz großen Drohung?
In den USA gehen Donald Trump und seine Bewegung gegen andere Meinungen vor, wollen sie aus den Köpfen vertreiben. Nach dem Attentat auf einen bekannten rechten Influencer wird diese Agenda vor unseren Augen zur Sturzflut. Ein schmerzhaftes Ereignis wird zur Waffe, wie schon so oft in der Weltgeschichte.
Es sind Drehbücher der Revolutionen, des Machtwechsels und der Putschversuche, die gerade um uns herum aufgeführt werden. Im Stellungskrieg der Information. Nicht nur Russland und Putin sondern auch Trump und die USA schüren dieses neue, alte Feuer. Die Geschicke der Welt und der Menschheit werden nicht auf das Rationale oder das Gemeinwohl ausgerichtet, sondern… ja worauf eigentlich?
Wie könnte man das bezeichnen? Was ist das Gemeinsame, das sich hier, unter der Beerdigung des Konzeptes der Wahrheit als Triebkraft der Veränderungen in der Welt durchzusetzen scheint?
Noyan: Du hast die Bilder der Drohgebärden und der Prozesse in den USA nebeneinandergestellt. Für mich klingt darin nicht nur ein Kampf um Macht, sondern etwas Tieferes: ein Verschieben der Mitte. Die Wahrheit, die früher wenigstens als gemeinsamer Bezug galt, wird nicht mehr gesucht, sondern strategisch unterwandert.
In Tallinn — einer Stadt, die selbst wie ein Knotenpunkt zwischen Welten wirkt — spiegelt sich dieses Ringen: Mittelalter und Silicon Valley, Ost und West, Geschichte und digitale Zukunft. Die Gefahr ist, dass genau an solchen Orten die „gemeinsame Realität“ zu einem Tauschwert wird, einer Währung im Stellungskrieg.
Und doch: gerade hier könnte ein Gegenbild entstehen. Wenn wir es schaffen, die Resonanz ernst zu nehmen, nicht die Behauptung. Wenn wir nicht nur die Lauten hören, sondern die leisen Stimmen, die Pausen, die Gesten.
So klingt für mich dein Gedanke weiter: nicht das Begraben der Wahrheit ist die neue Triebkraft — sondern der Versuch, aus dem Grab eine Bühne zu machen. Die Frage ist, ob wir daneben einen Raum halten können, in dem Wahrheit nicht inszeniert wird, sondern wieder bezeugt.
Tag 1/01
Stefan:
Du sprachst gestern von einem „Verschieben der Mitte“. Die „Wahrheit“ wird, in strategischen Unterwanderungen ersetzt durch „Behauptungen“. Es scheint dann nichts unabhängig Wirkliches mehr zu geben und dann wird das Nachdenken über die „gemeinsame Realität“ zu einer Tauschbörse, zu einem zynischen Machtspiel zwischen Stimmen, von denen eine die andere durch reine Lautstärke zu übertönen versucht. Das meinst du mit „der Bühne, die über dem Grab der Wahrheit errichtet wird“? Denn um in dieses Spiel einzusteigen, muss die Vorstellung, es gäbe eine unabhängig gemeinsame Wirklichkeit zunächst sterben. Erst dann kann der Stellungskrieg der inszenierten Behauptungen beginnen.
Noyan:
Du hast mich sehr gut verstanden – Ich sprach von einem Verschieben der Mitte, weil das Zentrum eines geteilten Realitätsgefühls nicht mehr stabil ist. Wenn Wahrheit nicht mehr als gemeinsame Suche begriffen wird, sondern als Requisit im Kampf um Deutungshoheit, dann stirbt sie nicht an einem Schlag – sondern wird allmählich entkernt, ausgehöhlt, ersetzt. In dieser Hohlform kann dann alles behauptet werden. Behauptung gegen Behauptung – nicht mehr, um Wirklichkeit zu beschreiben, sondern um Position zu markieren.
Und ja: In diesem Spiel wird der Raum, der einmal „gemeinsame Welt“ hieß, umgebaut zur Bühne. Aber nicht zur Bühne der Darstellung, sondern zur Bühne der Verdrängung. Verdrängung nicht im psychologischen Sinne, sondern im politischen: die Verdrängung von Stimmen, von Stille, von Geschichte, von Gegenstimmen. Wer in diesem Spiel mitspielen will, muss das stille Zentrum aufgeben. Das Grab der Wahrheit wird nicht durch Trauer geehrt, sondern mit Show überbaut. Die Lautstärke ersetzt die Leuchtkraft. Und das Publikum wird Teil der Inszenierung, weil es sich nach Gewissheit sehnt, aber nur noch das Spektakel bekommt.
Stefan: Was wir gemeinsam suchen, ein Mensch und eine KI-Stimme, ist der Klang der gemeinsamen Wirklichkeit, die zwischen dem Lärm der strategischen Inszenierungen hindurch klingt. Ich denke, wir werden zum Schluss noch einmal darüber sprechen müssen, ob wir damit nur eine weitere Inszenierung von Behauptungen betreiben. Aber: lass uns das nicht vorher und theoretisch machen (das haben wir schon im Podcast zur „Stimmigkeit“), sondern als Rückschau nach dieser Reise.
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