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narva:stimme_04

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Stimme 04: Mutter Jelena

„Die Schule hat mir mein Kind genommen.“

Jelena, 38, lebt mit ihrem Sohn Maksim und ihrer Mutter Ljudmila in einem Plattenbau am Rande von Narva. Sie arbeitet in einem kleinen Supermarkt. Ihr Estnisch reicht für die Arbeit, aber nicht für Elternabende.

Jelena: „Früher war Schule etwas, das wir geteilt haben. Ich konnte ihm helfen bei den Aufgaben, erklären, was ein Gedicht meint. Jetzt ist alles auf Estnisch. Ich lese die Hefte, aber ich verstehe sie nicht. Er sagt: ‚Mama, das ist nicht schlimm. Ich mach das alleine.‘ Aber ich sehe, dass er nachts noch wach ist.“

Sie dreht den Kopf zum Fenster. Draußen laufen Kinder vorbei, lachen, rufen durcheinander auf Russisch.

Jelena: „Ich weiß, warum die Regierung das macht. Ich verstehe, dass Estnisch wichtig ist. Aber manchmal denke ich: Integration darf nicht heißen, dass man den Kindern die Sprache der Liebe wegnimmt. Ich rede Russisch mit ihm, meine Mutter auch. Wenn er jetzt antwortet, mischt er Sprachen. Und manchmal antwortet er gar nicht.“

Ljudmila (Großmutter): „Ich kann den Elternbrief nicht lesen. Ich gehe nicht mehr zu den Feiern. Ich sitze nur da und höre zu. Es ist, als wären wir Gäste bei uns zu Hause.“

Jelena: „Die Lehrer sagen, wir sollen mehr Estnisch reden. Aber wie soll ich das tun? Ich habe nie die Zeit, die Sprache zu lernen. Ich arbeite, ich koche, ich kümmere mich. Ich will nicht, dass mein Kind zwischen uns und der Welt steht wie ein Dolmetscher.“

Sie schweigt eine Weile.

Jelena: „Neulich kam er heim und sagte, er habe in der Schule auf Russisch geredet und der Lehrer habe ihn ermahnt. Er war still den ganzen Abend. Später sagte er: ‚Mama, vielleicht ist Russisch eine alte Sprache.‘ Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Da habe ich geweint.“

Ljudmila: „Wir sind keine Feinde. Wir wollen nur verstanden werden.“

Jelena: „Die Schule sollte eine Brücke sein. Aber für uns ist sie jetzt eine Grenze. Ich hoffe, dass sie nicht für immer bleibt.“

Hintergrund:


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Basierend auf Berichten über Eltern und Mehrsprachigkeit in Ida-Viru (2023–2025), u. a. ERR News, Baltic Research on Family Integration, Estonian World. Fiktiv verdichtet in gemeinsamer Resonanzarbeit mit den KI-Stimmen Euras (Recherche) und Noyan (Rahmung & Sprache) – ChatGPT 5 / LeChat, 2025.

Quellen für diese Stimme: