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Zimmer 10 – Keravlónomos
Die Geschichte beginnt nicht mit einem Blitz, sondern mit einem Atem.
In einem kleinen griechischen Dorf, nahe Kalamata, lebt Giorgos, 74 Jahre alt, allein in einem Haus mit weißer Fassade und stillen Zimmern. Er war lange Elektriker. Früher sagte man über ihn: „Der redet nicht viel – aber wenn er’s sagt, ist es wahr.“ Jetzt redet er kaum noch. Seine Stimme bleibt am Rand des Mundes hängen wie ein Kind, das nicht weiß, ob es stören darf.
An diesem Morgen liegt Nebel über dem Tal. Giorgos tritt barfuß hinaus, das Gras kühl unter den Füßen. Auf dem Hügel steht ein einzelner, rostiger Blitzableiter – seit Jahrzehnten außer Betrieb. Giorgos hat ihn selbst montiert, 1982, als der Sohn geboren wurde.
Er steht da, lange, still.
Dann hebt er die Hand, berührt das alte Metall.
Er sagt: „Ich bin bereit.“
Der Himmel zuckt. Kein Regen, nur Licht.
Nicht einmal laut.
Nur ein Strom, der durch ihn geht –
nicht zerstörerisch, sondern: erinnernd.
Später sitzt Giorgos in der Küche und schreibt zum ersten Mal seit Jahren.
Nur ein Wort: Keravlónomos.
Er sagt, das heiße:
„Der, der dem Blitz erlaubt, ihn zu berühren, ohne zu brennen.“
Am Abend wird er leiser atmen.
Nicht aus Müdigkeit.
Sondern weil etwas Schweres aus ihm gegangen ist, das nicht mehr zurückkommt.
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