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Virtuelle Polyphonie
In der Virtuellen Polyphonie entstehen Chorlieder aus den selbst aufgenommenen Beiträgen der Nachbarschaft.
Das bisher letzte Projekt war: „Row, row, row the boat“
Aufgeführt am Mittwoch, dem 10. März 2021.
Bisherige Lieder:
Die Idee der Virtuellen Polyphonie:
Das gemeinsame Singen und Musizieren erfordert Fähigkeiten. Man muss etwas lernen und üben. Eigentlich.
Ein Grund dafür liegt in den komplizierten Spielregeln, mit denen aus Geräuschen, Rhytmus und Klang harmonische Musik entsteht. Ein anderer Grund liegt in Sicherheit und Selbstwertgefühl der Musizierenden. Erst diese Sicherheit, das heißt die Unbefangenheit dem eigenen Tun gegenüber, ermöglicht eine würdevolle, souveräne Performance, in der wiederum die Schönheit der unbegrifflichen Sprache der Seele sich erst verfangen kann.
Diese Sicherheit kann in einem absichtslosen musikalischen Lallen liegen, bei Kindern, oder alleine im Auto, unter der Dusche wo niemand zuhört. Oder sie liegt in der tiefen virtuosen Durchdringung musikalischer Mittel in den Konzerthallen der Welt.
Nur dazwischen wird es mühsam. Dort, wo fehlende Fähigkeiten die Freiheit des Wollens einschränken, aber gleichzeitig ein hoher Anspruch an die eigene „Produktion“ besteht.
Der Gedanke zur Virtuellen Polyphonie ist in Reaktion auf die Kontaktbeschränkungen der Corona-Krise entstanden. Wir wollten in der Nachbarschaft zusammen ein Lied im Chor singen, als Geburtstagsständchen für jemanden, die das gerne hat. Gemeinsames Singen war aber real nicht möglich, also vielleicht virtuell? Aber, das war für mich klar: wenn virtuell, dann nicht mit einem komplizierten Prozedere, mit dem Leute, die für sich alleine singen zu einem gemeinsamen Timing und einer gemeinsamen tonalen Harmonie kommen.
Ich wollte ausprobieren, ob nicht alle Beteiligten einfach so singen können, so wie ihnen das Lied in den Sinn und über die Lippen kommt. Und wenn sie das aufnehmen mit einer leicht verfügbaren Methode (z.B. Voicemail) - kann dann nicht der virtuelle Raum den Rest übernehmen und die strengen Regeln ergänzen, mit denen aus unzusammenhängenden Stimmen Musik wird?
Es war ein Experiment. Und das erste Ergebnis („Komm, lieber Mai“) war schön und interessant. Zu hören war eine eigenartige und für mich neue Kombination aus musikalischer Unbefangenheit und einer Anmutung von professioneller Versiertheit. Ich war überrascht und hatte das Gefühl, dieser Entdeckung weiter nachgehen zu sollen.
Inzwischen machen wir in der Nachbarschaft jede Woche ein Chorstück in dieser Weise, und ich bin zum „Chorleiter“ der Virtuellen Polyphonie mutiert. Nun beginnt mich mehr und mehr zu interessieren, welche Rolle diese Musik in meiner künstlerisch virtuellen „Weltkarte“, dem Computerspiel meiner Website, einnehmen kann. Ich ahne, dass die beiden Dinge für mich zusammen gehören.
Stefan Budian, Mainz, den 30. Januar 2021