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Die „Glücklichkeit“

Gestern hatte ich zwei Gespräche, von denen ich etwas festhalten will - es war, auch in der Überlagerung, sehr interessant.

Johannes, Unternehmer aus der IT Branche, hat spielerisch versucht, mein „Produkt“ aus meinen künstlerischen Projekten zu beschreiben. Ich hatte ihm gesagt, dass ich gerne in Arztpraxen ausstellen würde. Und auch an ähnlichen Orten, an denen Menschen geduldig Zeit verbringen. Aber nicht, um dort meine Kunst zu verkaufen, sondern um mit meiner Kunst diese Orte in Reflexionsräume zu verwandeln. Räume, um das individuelle Bewusstsein anzuregen, sich die Schönheit und die Möglichkeiten des Lebens im Europäischen Westen zu vergegenwärtigen. Reflexionsräume, um die europäische Zivilgesellschaft aus dem Schlaf zu flüstern.

Im Reden fühlte Johannes sich erinnert an Dinge, die ihm wichtig sind. Die, obschon sie seinem Herzen nahe liegen, dennoch in seinem Alltag wenig vorkommen. Das war eine Freude für ihn. Und, in der Perspektive eines Unternehmers kann eine Freude auch ein Produkt sein: etwas, mit dem man handeln kann. Er hat mir vorgeschlagen dieses Produkt für mich zu beschreiben und kam auf den Begriff der „Glücklichkeit“. Es ist ein sperriges Wort, fand ich, und deswegen gut. Es hat noch keine Bedeutung außer der, die wir ihm gestern geben wollten.

Zu dem „Wir“ gehört auch Nora Laubstein , eine langjährige Lobbyistin für europäische Naturmedizin, die ich drei Stunden später traf. Sie und ich wollten uns unterhalten über einen neuen Bericht der WHO, der aufzeigt, „wie Kunst zur erfolgreichen Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten beitragen kann“. Ich brachte den Begriff der „Glücklichkeit“ ins Spiel, über den Nora schmunzelte.

Wir sprachen dann über die Ähnlichkeiten unseres Engagements für den Prozess der europäischen Vereinigung. Über dessen Notwendigkeit, wenn wir unsere freiheitliche Lebensweise in Europa weiterhin führen wollen. Darüber, dass es gleichzeitig nötig ist und bleiben wird, regionale und lokale Unterschiede zu achten und zu erhalten. Wir sprachen über die Täuschungen, denen sich die identitären Bewegungen in Europa hingeben. Wir sprachen über die Bedrohung der europäischen Idee durch die verkrusteten Strukturen bei der EU, durch die Macht der ökonomischen Oligarchen und durch die organisierte Kriminalität. Diesen Gefahren gegenüber steht die Europäische Zivilgesellschaft, die eigentliche Eigentümerin der EU in deren eigenen Selbstverständnis - und schweigt. Weil sie wenig weiß von der EU und weil sie ihre eigene Macht nicht kennt. Wenn das so bleibt, könnte die Idee der Europäischen Vereinigung wirklich scheitern. Dagegen wollen Nora und ich ankämpfen, mit unseren jeweiligen Mitteln und Möglichkeiten.

Weil wir glauben, dass an der Basis der Europäischen Idee etwas sehr kostbares liegt: nämlich die Vorstellung, dass das Individuum, dass jeder einzelne Mensch mit seiner/ihrer Persönlichkeit und Meinung eine Bedeutung hat gegenüber der Gesamtgesellschaft und dem Staat. Für das Ideal der freiheitlichen Demokratie stehen die Einzelnen am Anfang und im Mittelpunkt. Ihr Recht auf Selbstverwirklichung. Ihr Recht auf ein Streben nach Glück. Dieses Streben besteht (,wie ich denke), in dem Wunsch, das was wir selbst sein wollen mit dem, was die Wirklichkeit uns ermöglicht, in Übereinstimmung zu bringen. Was wiederum ein Art von geistiger Gesundheit ist.

Und angenommen nun, ein Schritt zur Erfüllung dieses Wunsches wäre eine Portion „Glücklichkeit“, dieses Tonikum, mit dem ich nach Johannes handele? Dann wäre ich mit meinen Reflexionsräumen in Wartezimmern gleichzeitig ein Künstler, ein Heiler und ein Aktivist der Europäischen Idee.

Stefan Budian, Mainz, 7. Dezember 2023

gaeste/bni/gluecklichkeit.txt · Zuletzt geändert: 2023/12/11 15:16 von admin